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Neues Manifest von Ventotene fordert europäische und globale Föderation

The Ventotene lighthouse (in 2017). Image: Sailko at Wikimedia Commons/CC BY 3.0

Nach mehrmonatiger Arbeit haben europäische Föderalisten ein umfangreiches und weitreichendes Manifest verabschiedet, das die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa fordert und das Ziel einer „globalen Föderation“ umreißt. In dem Dokument wird hervorgehoben, dass „der Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 und die russische Aggression gegen die Ukraine 2022 zu Wendepunkten auch für die europäische Integration geworden sind“, da sie auf dramatische Weise die Notwendigkeit einer stärkeren europäischen und globalen Einheit verdeutlichten. Im Hinblick auf die russische Aggression wird globale Integration auf Grundlage föderaler Prinzipien als langfristige Strategie zur Verhinderung und Bekämpfung nationalistischer und autokratischer Aggressionen befürwortet.

Nach Angaben von Domènec Devesa, einem spanischen Mitglied des Europäischen Parlaments und Initiator des Projekts, wurde das Dokument im Sommer von der Spinelli-Gruppe des Europäischen Parlaments angenommen. Die Gruppe ist ein parteiübergreifendes Netzwerk von über 50 Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die das Ziel einer föderalen Reform der Europäischen Union verfolgen. Sie ist benannt nach Altiero Spinelli, einem der Gründungsväter der europäischen Integration und der Union der Europäischen Föderalisten.

Aufbauend auf dem Manifest von Ventotene

Die neue Erklärung mit dem Titel „Vorschlag für ein Manifest für ein föderales Europa: souverän, sozial und ökologisch“ erstreckt sich über mehr als 40 Seiten und wurde vor dem Hintergrund des 80. Jahrestages des Manifests von Ventotene im Jahr 2021 verfasst. Das Manifest von Ventotene wurde von Spinelli und anderen auf der Gefängnisinsel verfasst und diente als wichtige Analyse, Leitlinie und Vision für die europäische Integration nach dem Zweiten Weltkrieg.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des föderalistischen Jugendseminars 2015 auf Ventotene forderten ein Weltparlament

Das neue Dokument, das an alle Mitglieder des Europäischen Parlaments verteilt und im August auf der Insel Ventotene offiziell vorgestellt wurde, enthält bemerkenswerte allgemeine Bemerkungen über den Wert und die Bedeutung des Föderalismus, sowohl regional als auch global. So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass „der Föderalismus für eine Demokratie ohne Grenzen eintritt, um Frieden und gemeinsamen Wohlstand zu schaffen. Während Grenzen willkürliche Unterteilungen der Menschheit sind, die sich aus der Geschichte ergeben, erkennen Föderalisten auch an, dass Nationalstaaten die Bausteine regionaler Föderationen und letztendlich einer globalen Föderation sind.“

Das Dokument gliedert sich in vier Hauptabschnitte, die sich mit der Umsetzung des Manifests von Ventotene aus dem Jahr 1941, den Grenzen des Intergouvernementalismus und dem „Ende des Lissabon-Jahrzehnts“, der Krise der „postmodernen Zivilisation“, der Reform der globalen Gesellschaft und der föderalen Union als Aufgaben der Post-Pandemie- und Nachkriegszeit und schließlich einer neuen föderalistischen Strategie in der aktuellen politischen Situation befassen.

Aufruf zu einem Verfassungskonvent

Während das Manifest die „bedeutenden und entscheidenden Schritte hin zu einem geeinteren Europa“ skizziert, die die europäischen Institutionen im Laufe der Jahrzehnte unternommen haben, wie die Abschaffung der Zollschranken und der Freizügigkeit, den Gemeinsamen Markt, die Direktwahl des Europäischen Parlaments, die Einführung einer gemeinsamen Währung, die Wettbewerbspolitik und zuletzt die Bemühungen um eine „Europäische Gesundheitsunion“, wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die EU „immer noch keine einheitliche Außenpolitik und keine Streitkräfte unter ihrem alleinigen Kommando hat“. Ferner wird festgestellt, dass „trotz der Fortschritte in der EU-Arbeitsgesetzgebung das soziale Europa nach wie vor unterentwickelt ist, da die Europäische Säule sozialer Rechte nicht verbindlich ist, und zwar auch im Bereich der Mindestlöhne auf Unionsebene. Die Steuerhoheit liegt nach wie vor ausschließlich in den Händen der Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament fehlt die Befugnis, Gesetze zu initiieren.“

Kurzum, das Manifest kommt zu dem Schluss, dass die EU derzeit „ein hybrides Gebilde bleibt, das zwischenstaatliche und föderalistische Merkmale kombiniert und dadurch einige grundlegende Dilemmata im Bereich der demokratischen Legitimität und Handlungsfähigkeit aufwirft.“ Das Manifest fordert einen Konvent, der eine föderale Verfassung für die EU ausarbeitet und sie in „eine föderale Regierung“ umwandelt. Ohne eine Verfassung, so das Manifest, „sind die Bürgerinnen und Bürger nicht souverän.“

Auf dem Weg zu einer globalen Föderation

Die europäische Vision des Manifests basiert auf einer starken kosmopolitischen Perspektive, die in der Einleitung erläutert und im gesamten Dokument angesprochen wird. „Wir, die Bewohnerinnen und Bewohner des Planeten Erde, bilden eine einzige Menschheit“, lautet eine der paradigmatischen Aussagen gleich zu Beginn. Darin heißt es, dass „öffentliche Güter und Missstände“ nur „durch ein System demokratischer, supranationaler Regierungsführung“ wirksam angegangen werden können – ein System, das sich auf den gesamten Planeten erstreckt. „Wer auf dem Planeten Erde geboren ist, ist Weltbürgerin und Weltbürger“, heißt es darin, und allen müssen „volle und gleiche globale Bürgerrechte“ gewährt werden.

Das Manifest von Ventotene nannte Weltföderation bereits als nebengeordnetes Ziel, ging aber nicht näher darauf ein. Das neue Dokument bietet eine detaillierte Vision der globalen politischen Integration und unterstützt zwei parallele und sich ergänzende Strategien: zum einen „die Schaffung kontinentaler demokratischer regionaler Proto-Föderationen nach dem Vorbild der EU“ und zum anderen eine Reform des UN-Systems, „um es effektiver und demokratischer zu machen.“

In Bezug auf letzteres befürwortet das Manifest als ersten Schritt die Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung bei der UNO. „Dieses Gremium sollte sich zu einem Weltparlament entwickeln, das direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird“, heißt es darin. Und weiter:

Die von der UN-Generalversammlung eingerichtete Versammlung, die zunächst nur beratenden Charakter hat, kann im Laufe der Zeit ein Motor sein, um eine Reform der UN-Charta (die bereits in den Artikeln 108 und 109 vorgesehen ist) zu einer föderalen demokratischen Weltverfassung zu fördern. Der Eckpfeiler dieser Verfassung könnte ein globales Parlament mit zwei Kammern sein, das mit legislativen Rechten in wichtigen globalen Fragen ausgestattet ist: eine Kammer, die von den Bürgerinnen und Bürgern der Welt gewählt wird, und die andere, die sich aus Delegierten der Mitgliedstaaten zusammensetzt.

Föderalismus und Demokratie

Das Manifest enthält ein unmissverständliches Bekenntnis zur Demokratie und ihrer Rolle in föderalistischen Strategien. Es weist ganz klar darauf hin, dass „Föderalismus und Autokratie nicht in Einklang zu bringen sind“. Daher ist „der demokratische Charakter der entstehenden globalen Föderation sowie ihrer Bestandteile die einzige Option.“ In dem Dokument heißt es: „Der europäische Föderalismus und der Weltföderalismus sind untrennbar mit der Entwicklung, Stärkung und Verteidigung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit verbunden.“

Das Manifest ist eine immens wichtige Plattform, um Föderalisten in Europa und der Welt in ihrem Kampf für die europäische und globale Einigung zu leiten

Das vollständige Manifest kann hier heruntergeladen werden.

Andreas Bummel
Andreas Bummel is Executive Director of Democracy Without Borders and co-authored the book "A World Parliament: Governance and Democracy in the 21st Century"
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