In einem neuen Bericht mit dem Titel „UN 2.0: Ten Innovations for Global Governance 75 Years beyond San Francisco“ beschreibt das Stimson Center, ein Think Tank mit Sitz in Washington D.C., zehn Vorschläge, wie die UN in einer Ära, die sich stark von der ihrer Gründung unterscheidet, relevanter und funktionsfähiger gemacht werden kann, darunter die Schaffung eines UN-Rates für Friedenskonsolidierung und eine Globale Partnerschaft der UN.
Ein Parlamentarisches Netzwerk der UN
Der weitreichendste und spannendste Vorschlag ist ist jedoch die Forderung des Berichts nach der Einrichtung eines Parlamentarischen Netzwerkes der UN (UNPN), das sich aus Mitgliedern nationaler und regionaler Parlamente sowie aus Vertreter*innen bestehender parlamentarischer Netzwerke und Institutionen zusammensetzen würde. Laut Stimson wäre das Parlamentarische Netzwerk der UN ein beratendes Gremium der UN-Generalversammlung (UNGA). Obwohl es somit kein echtes globales Parlament wäre, würde es den größten Schritt in diese Richtung seit Gründung der UNGA selbst darstellen.
Stimson sieht das UNPN als „eine Plattform für die direkte Beteiligung, Mitwirkung und die Ausübung von Kontrollfunktionen durch gewählte Vertreter*innen der Völker der Welt in Angelegenheiten, die die Leitung der UN betreffen“. Stimson stellt fest, dass „die zunehmende Transnationalität der globalen Herausforderungen ein gemeinsames Engagement für Zusammenarbeit und kollektives Handeln auf der Grundlage multilateraler Prinzipien erfordert“, und sagt, dass die derzeitige Struktur der UN keine „sowohl repräsentative als auch legitime Entscheidungsfindung“ zulasse, da die Mitgliedstaaten der UN-Generalversammlung „ausschließlich durch die Exekutive der nationalen Regierungen vertreten werden, ohne formelle direkte Kanäle für die Beteiligung der Legislative“. Stimson sagt, dass es seit langem überfällig sei, dass die UN-Generalversammlung „eine formelle Struktur” schafft, “die eine direkte Beteiligung und Kontrolle von Parlamentariern unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit ermöglicht“.
Stimson hat die UNPN in der Vergangenheit als “ehrgeizigen” Vorschlag bezeichnet, der jedoch mit „weniger politischen Hindernissen” einhergehe im Vergleich zu einer tatsächlichen Parlamentarischen Versammlung bei der UN (UNPA). Es gebe aber keinen Grund, warum eine UNPN nicht ein wichtiger Schritt in Richtung einer echten repräsentativen Demokratie bei der UN sein könne.
Demokratie ohne Grenzen schrieb in einer Untersuchung im Jahr 2019, dass eine UNPN „als ein institutioneller Vorläufer einer UNPA angesehen werden kann“. Ferner wies DWB darauf hin, dass ein UNPN „im Vergleich zu einer vollwertigen UNPA als eine viel kleinere Operation beginnen könnte“ und daher „in absehbarer Zukunft eher in Reichweite zu sein scheint“.
Fahrplan zu einem Gipfeltreffen in 2023
Der Stimson-Bericht stellt fest, dass bestehende oder neue Multi-Stakeholder-Partnerschaften und „intelligente Koalitionen“ eine Schlüsselrolle bei der Schaffung einer Dynamik für die Umsetzung der Vorschläge spielen sollen. So heißt es beispielsweise, dass Befürworter*innen eines UNPN und einer UNPA „auf eine UNPN-Freundesgruppe hinarbeiten könnten, die sich aus Mitgliedstaaten und einflussreichen Organisationen der Zivilgesellschaft zusammensetzt, die daran interessiert sind, sich für diese Initiativen einzusetzen“.
Ein von Stimson vorgeschlagener Fahrplan sieht die Einrichtung einer „Expert Advisory Group on Inclusive Global Governance“ durch UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor, die im Juni 2021 Empfehlungen vorlegen und einen „Weltgipfel für inklusives globales Regieren“ im Jahr 2023 vorbereiten soll. Stimson erwartet, dass die Erklärung der Staats- und Regierungschefs, die anlässlich des 75-jährigen Bestehens der UN im September dieses Jahres verabschiedet werden soll, dem UN-Chef ein Mandat zur Einrichtung eines solchen Beratungsgremiums erteilen wird. In einer kürzlich gehaltenen Rede forderte Guterres ein „neues Modell für globale Regierungsführung“ auf der Grundlage „inklusiver globaler Institutionen“.
Stimson stellt in seinem neuen Bericht fest, dass die globale COVID-19-Pandemie eine globale Herausforderung darstellt, die mit der Neuausrichtung nach dem Zweiten Weltkrieg, die zur Gründung der UN selbst führte, vergleichbar sei. Stimson gebührt ein Lob für die vorausschauenden Überlegungen zu diesem Thema und dafür, dass ein gangbarer Weg zu einer wirklichen Vertretung bei den Vereinten Nationen aufgezeigt wird.
Am 16. und 17. September lädt Stimson zusammen mit verschiedenen Partnern zu einem virtuellen Global Governance Forum ein, um den Bericht zu diskutieren und Pilotprojekte zu initiieren.