Letzte Woche wurde dem UN-Chef ein Bericht eines hochrangigen Beratungsgremiums vorgelegt, das er eingesetzt hatte, um Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität des Multilateralismus vorzuschlagen. Das Dokument mit dem Titel «Breakthrough for People and Planet» (Durchbruch für die Menschen und den Planeten) enthält zahlreiche Empfehlungen, die sich auf sechs «transformative Veränderungen» beziehen, von denen das Gremium glaubt, dass sie «helfen werden, die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir heute stehen und die sich am Horizont abzeichnen.»
Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit, das Vertrauen in den Multilateralismus wiederherzustellen durch «Einbeziehung und Rechenschaftspflicht», «Wiedererlangung eines Gleichgewicht mit der Natur» und «saubere Energie für alle», «nachhaltige Finanzierung», einen «gerechten digitalen Übergang», «wirksame kollektive Sicherheit» sowie durch eine Stärkung der Governance zum Umgang mit «aktuellen und neu entstehenden transnationalen Risiken». Laut dem Gremium, kurz HLAB, müssen diese Veränderungen auf «zehn konstituierenden Prinzipien des Multilateralismus» beruhen, die laut HLAB «menschenzentriert, repräsentativ, transparent, gerecht, vernetzt, mit Ressourcen ausgestattet, aufgabenorientiert, flexibel, rechenschaftspflichtig und zukunftsorientiert» sind.
Im Bereich der «Wiederherstellung des Vertrauens» betont das Dokument, dass das multilaterale System «menschenzentriert» sein sollte und dass dies erfordert, dass es «radikal und systematisch inklusiv» ist. Es heißt, dass «sinnvolle Möglichkeiten» für die «Beteiligung aller Staaten, der Zivilgesellschaft, der Akteure des Privatsektors, der lokalen und regionalen Regierungen und anderer Gruppen, die traditionell von der globalen Governance ausgeschlossen waren», an der globalen Entscheidungsfindung erforderlich sind.
Keine Berücksichtigung der Einbeziehung von Bürgern und gewählten Vertretern
In dem Dokument wird u.a. vorgeschlagen, dass Städte und subnationale Regionen direkt in die Global Governance einbezogen werden könnten, «ohne die zentrale Rolle der Staaten zu verwässern». Das Gleiche wird für den Privatsektor vorgeschlagen, dessen direkte Einbeziehung «ein unvermeidlicher Aspekt eines effektiveren Multilateralismus» sei, so das Gremium. Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft könnte durch ein «Netzwerk formell anerkannter Anlaufstellen für die Zivilgesellschaft» innerhalb der UNO erleichtert werden.
Demokratie ohne Grenzen, eine zivilgesellschaftliche Organisation, die sich für globale Demokratie, bessere globale Regierungsführung und Weltbürgerschaft einsetzt, kommentierte, dass der Bericht «wichtige Ziele vorschlägt, die volle Unterstützung verdienen», wie die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter, mehr Mitspracherecht für die Zivilgesellschaft, Flüchtlinge und gewaltsam Vertriebene, Kinder und Jugendliche. Außerdem sei die Forderung des Gremiums, von einem «übermäßigen Vertrauen auf Konsensentscheidungen» zu qualifizierten Mehrheiten überzugehen, «goldrichtig».
Nach Ansicht des Geschäftsführers der Gruppe, Andreas Bummel, gibt es jedoch eine «kritische Lücke» in dem Bericht. «Die Bürgerinnen und Bürger sowie ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter sind die ursprüngliche Quelle von Legitimität. Sie sind mehr als nur weitere Interessengruppen, die man links liegen lassen kann», sagte er. «Wir bedauern, dass das Gremium dies nicht erkannt hat», kommentierte er und fügte hinzu: «Der Bericht schweigt darüber, wie Bürgerinnen und Bürger sowie Abgeordnete bei der UNO und in multilateralen Prozessen besser eingebunden werden können.»
So baut man kein Vertrauen wieder auf
Vor diesem Hintergrund seien die Empfehlungen des Gremiums zur Stärkung der Rolle des Privatsektors «besorgniserregend». «Unserer Ansicht nach ist es unausgewogen, eine direkte Einbeziehung von Unternehmen zu fordern und gleichzeitig die Notwendigkeit der Beteiligung und Vertretung der Bürgerinnen und Bürger zu ignorieren. So kann man kein Vertrauen aufbauen», erklärte Bummel.
In den Beratungen des Gremiums hat die zivilgesellschaftliche Kampagne für eine integrative Global Governance, «We The Peoples», drei Vorschläge unterbreitet: die Schaffung des Instruments einer UN-Weltbürgerinitiative, einer Parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen und eines hochrangigen Gesandten der Zivilgesellschaft. Die von Demokratie ohne Grenzen, CIVICUS: Weltallianz für Bürgerbeteiligung und Democracy International mitinitiierte Kampagne wird von über 200 Organisationen, Gruppen und Netzwerken der Zivilgesellschaft sowie zahlreichen Parlamentariern unterstützt. Die Vorschläge wurden kürzlich bei einem Treffen der Zivilgesellschaft und von Experten in New York diskutiert und erhielten erneut Unterstützung.
«Der Bericht fordert, dass der Multilateralismus repräsentativ und rechenschaftspflichtig sein muss, Funktionen, die von einem Parlament auf nationaler und parlamentarischen Versammlungen auf regionaler Ebene erfüllt werden – und dennoch erwähnt der Bericht nicht die offensichtliche Notwendigkeit eines parlamentarischen Gremiums auf globaler Ebene», bemerkte John Vlasto, Vorsitzender des Exekutivausschusses des World Federalist Movement-Institute for Global Policy.
Der Bericht des High Level Advisory Board soll dazu beitragen, die Diskussionen im Vorfeld des UN-Gipfels für nachhaltige Entwicklung 2023 und des Zukunftsgipfels 2024 zu unterstützen. In dem Dokument heißt es, dass «die gesamte Bandbreite der Vorschläge, die dem Gremium unterbreitet wurden, auf unserer Website zu finden ist». Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels war dies noch nicht der Fall.