Ein Plus für den Frieden. Mit diesem Slogan warb die Schweiz im Vorfeld der Wahl in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für ihre Kandidatur. Der Slogan war erfolgreich. Mit einem Glanzresultat von 187 Stimmen wurde die Schweiz am 9. Juni 2022 von der UNO-Generalversammlung zum ersten Mal in ihrer Geschichte als nichtständiges Mitglied für die Jahre 2023-2024 ins mächtigste UNO-Gremium gewählt. Demokratie ohne Grenzen Schweiz begrüsst das Engagement der Schweiz, erwartet nun aber ein klares Bekenntnis zu mehr Demokratie.
Der Sicherheitsrat, bestehend aus den fünf ständigen (Grossbritannien, Frankreich, Vereinigte Staaten von Amerika, Russland und Volksrepublik China) und zehn jeweils für zwei Jahre gewählten Mitgliedern, ist für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit verantwortlich. Seine Beschlüsse können im Gegensatz zu Resolutionen der Generalversammlung bindende Wirkung haben, wenn sie nach Kapitel VII der UN-Charta Zwangsmaßnahmen vorsehen. Der exklusive Kreis der 15 Staaten ist somit das einflussreichste politische Gremium in der Sicherheitspolitik. Die Schweiz hat sich für ihren zweijährigen Einsitz vier Prioritäten gesetzt: nachhaltigen Frieden fördern, Zivilbevölkerung schützen, Klimasicherheit angehen und die Effizienz des Sicherheitsrates steigern.
Demokratiedefizit im Sicherheitsrat
Insbesondere der letzte Punkt verdient Beachtung. Durch die verhältnismässig sehr kleine Anzahl Länder, welche im Sicherheitsrat mitentscheiden können, ist nur eine Minderheit der Weltbevölkerung im Gremium repräsentiert. Der Grossteil der Nationen muss die Entscheidungen des Sicherheitsrates mittragen, ohne sich effektiv in die Entscheidung einbringen zu können.
Aus demokratischer Sicht bedenklicher ist jedoch das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder. Diese Staaten, welche aus historischen Gründen einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat innehaben, können durch ihr Veto sämtliche Beschlüsse blockieren. 263-mal wurde bereits eine verbindliche Resolution durch eines dieser fünf Länder verhindert. Dies ist umso störender, führt man sich vor Augen, wie eigennützig die Grossmächte von ihrem Veto Gebrauch machen.
Reformen haben einen schweren Stand
Eine Reform des Sicherheitsrates wird seit Jahrzehnten diskutiert. Sowohl die Anzahl Länder, welche im Rat vertreten sind, als auch die Stellung und Anzahl der ständigen Mitglieder mit Vetorecht, wird dabei hinterfragt. Innerhalb der UN-Mitgliedschaft gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Sämtliche Versuche, einen Konsens zu finden, scheiterten bislang. Immerhin stärkte sich die Generalversammlung zuletzt selber, in dem sie eine Resolution verabschiedete, nach welcher die Generalversammlung unmittelbar zusammentritt, sobald eine Sicherheitsratsresolution durch ein Veto blockiert wurde.
Die Zusammensetzung und Entscheidungsverfahren des Sicherheitsrates können aus demokratischer Sicht nicht befürwortet werden. Das einflussreiche Gremium repräsentiert nicht die Weltbevölkerung, die Mehrheit der Nationen bleiben bei Entscheidungen aussen vor und die Vetomächte haben eine ungerechtfertigt starke Stellung. Zusätzlich zu diesen strukturellen Defiziten gibt es auch prozedurale Bedenken. Insbesondere das De-Listing Verfahren für Einzelpersonen, welche sanktioniert wurden, muss verbessert werden. So gibt es einzig im Rahmen des Al-Qaida/Taliban Sanktionsregimes einen geregelten Ombudsprozess. Bei anderen Sanktionsregimen fehlt bislang eine solche Ombudsstelle. Der Focal Point for De-Listing, welcher für alle Sanktionsregime zuständig ist, kann dieses Manko nicht kompensieren. Somit kann der rechtsstaatliche Grundsatz eines fairen Verfahrens nicht erfüllt werden.
Möglichkeit für die Schweiz sich zu profilieren
Mit ihrem Engagement als Koordinatorin der Ländergruppe «Accountability, Coherence and Transparency» (ACT) und zuvor als Mitglied der Small Five-Gruppe setzt sich die Schweiz bereits seit längerem für mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und den stärkeren Einbezug von Nicht-Mitgliedern in die Arbeiten des Sicherheitsrates ein. So fordert sie die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates dazu auf, ihr Veto verantwortungsvoll zu gebrauchen. Ebenfalls unterstützt die Schweiz Forderungen nach einer effektiven und unabhängigen Beschwerdeinstanz für vom Sicherheitsrat sanktionierte Personen. Möchte die Schweiz auch zukünftig glaubwürdig für diese Prinzipien einstehen, muss sie diese auch als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates konsequent verfolgen.
Der Einsitz im Sicherheitsrat ist für die Schweiz eine Möglichkeit, die Demokratisierung des Gremiums weiter voranzutreiben. Wir erwarten von der Schweiz ein klares Bekenntnis für eine Stärkung der Demokratie innerhalb der UNO, ihrer Gremien und Verfahren. Die Arbeit der neutralen Schweiz im Sicherheitsrat wird sich an diesen Zielen messen müssen. Die Schweiz muss ihren Einfluss im Sicherheitsrat nutzen, um Reformen anzustossen und die Demokratisierung weiter voranzutreiben. Dazu gehört auch eine Unterstützung von Vorschlägen der internationalen Zivilgesellschaft wie eine Parlamentarische Versammlung der Vereinten Nationen oder einer UN-Weltbürgerinitiative. So wird der Einsitz der Schweiz im UN-Sicherheitsrat nicht nur ein Plus für den Frieden, sondern auch ein Plus für die Demokratie.