Im Januar 2018 veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) ihren Jahresbericht, in dem sie über die wichtigsten Menschenrechtsfragen für den Zeitraum von Ende 2016 bis November 2017 in über 90 Ländern und Gebieten informiert. Wie in den Vorjahren war der Großteil des Berichts der Analyse schwerer Menschenrechtsverletzungen durch einzelne Länder sowie der internationalen Reaktion regionaler und globaler Akteure und Organisationen gewidmet.
In der Einführung betonte Geschäftsführer Kenneth Roth den aufkommenden öffentlichen Widerstand gegen den populistischen Trend in der Politik und verlieh dem Bericht so einen hoffnungsvolleren und zukunftsweisenderen Ton als im Vorjahr. Roth zog eine klare Linie zwischen der Trostlosigkeit angesichts der Menschenrechtsverletzungen durch Regierungen und dem Vertrauensverlust demokratischer Institutionen auf der einen Seite sowie auf der anderen einer gesellschaftlichen Mobilisierung gegen das, was er als eine «Botschaft des Hasses und der Ausgrenzung» bezeichnete. Menschen in zahlreichen Ländern gingen in großer Zahl auf die Straße, um gegen den Verfall der Demokratie, gegen Korruption oder autokratische Regierungen zu protestieren.
Mittelgroße Länder übernehmen die Führung
Kleinere und mittelgroße Länder wie Frankreich, die Niederlande und Liechtenstein haben laut Roth die Verantwortung für die Verteidigung von Menschenrechten auf internationaler Ebene übernommen, angetrieben teilweise durch innenpolitische öffentliche Unterstützung oder durch Führungspersönlichkeiten, die bereit waren, diese Aufgabe zu übernehmen. Durch die Bildung von Koalitionen zu politischen Fragen, deren Thematisierung von Großmächten unterlassen oder gar blockiert wird, haben die kleineren Länder große Schlagkraft auf dem Gebiet der Menschenrechte erlangt. Nichtsdestotrotz warnt Roth vor der Erwartung, dass sie das Vakuum, das die traditionellen Verteidiger von Menschenrechten hinterlassen haben, dauerhaft füllen können.
Ein Beispiel dafür, dass Widerstand wirksam sein kann, ist der entscheidene Beitrag, den zivilgesellschaftliche Gruppen in Afrika dazu leisteten, die meisten afrikanische Regierungen davon zu überzeugen, weiterhin hinter dem Internationalen Strafgerichtshof zu stehen, obwohl Anti-Rechts-Autokraten einen afrikanischen «Massenexodus» forderten. Ein weiteres Beispiel ist der Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen, einen Mechanismus zur Sammlung von Beweismitteln zu schaffen, und sich für die Verfolgung von Massengräueln einzusetzen, die auf syrischem Territorium begangen wurden. Die Resolution, die mit 105 zu 15 Stimmen angenommen wurde, folgte als Reaktion auf Vetos, die ein Eingreifen des UN-Sicherheitsrates in die Situation verhindert hatten.
Die USA, Großbritannien und Deutschland haben sich weitgehend zurückgezogen
Die USA, Großbritannien und Deutschland sind drei von mehreren Staaten, die sich weitgehend zurückgezogen und in Bezug auf ihre traditionelle Haltung zur Verteidigung von Menschenrechten sogar rückwärts entwickelt haben. Dieser Trend sei auf die innenpolitische Kapitulation vor populistischem Druck zurückzuführen, der auf rassistischen Ansichten basiere und unter anderem darauf abziele, die Rechte von Flüchtlingen einzuschränken.
Infolgedessen werden China und Russland ihrer Rolle als Förderer einer menschenrechtsfeindlichen Agenda voll gerecht, indem sie sich mit autokratischen Regimen zusammenschließen und nationale Demokratiebestrebungen unterdrücken. In der Abwesenheit von starken Menschenrechtsbeführwortern sind in einer Vielzahl von Ländern, darunter Jemen, Syrien, Burma, Südsudan, den Philippinen und Venezuela, anhaltende Massengewalt und Grausamkeiten ausgebrochen oder eskaliert.
Der Rechtsstaatlichkeitsindex des World Justice Projects (WJP) zeigt Verschlechterung der Grundrechtssituation
Eine quantitative Beurteilung der Menschenrechtssituation wird in dem kürzlich erschienenen Bericht des World Justice Project (WJP) nebst einem Rechtsstaatlichkeitsindex zur Verfügung gestellt. Der Bericht bezeugt das verschlechterte Abschneiden der Mehrheit der Länder weltweit in den Kategorien Menschenrechte, Kontrolle der Staatsgewalt sowie Zivil- und Strafjustiz. Unter Berücksichtigung von acht Faktoren zur Messung von Daten aus Experten- und Haushaltsbefragungen in 113 Ländern zeigt der Index für 2017-18 die stärksten Rückschritte in den Bereichen Grundrechte (71 Länder schnitten schlechter ab als zuvor) und Kontrolle der Staatsgewalt (64 Länder erhielten niedrigere Werte). Weltweit stehen 34% der Länder mit verschlechterter Gesamtwertung bei der Rechtsstaatlichkeit nur 29% mit verbesserten Werten gegenüber, was im Vergleich mit dem Vorjahresindex eine deutliche Rückentwicklung darstellt. Das WJP bezeichnet diesen Trend als «beunruhigend».
Menschenrechtssituation ist ein Aufruf zum Handeln
Populistische Einflüsse und die daraus resultierende Zurückhaltung durch internationale oder einzelstaatliche Institutionen schaffen ein Umfeld, in dem autoritäre Regime gedeihen und Rechtsstaatlichkeit im In- und Ausland untergraben wird, so der HRW-Weltbericht. Roth, der in seiner Einführung trotz ernster Besorgnis einen zuversichtlichen Ton beibehielt, kam zu dem Schluss, dass «eine nüchterne Bewertung der globalen Aussichten für Menschenrechte eher Besorgnis als Resignation provozieren sollte, sie ist ein Aufruf zum Handeln und kein Schrei der Verzweiflung».
Bild: Women’s March in Washington, Januar 2017, von Mark Dixon, CC-BY-2.0