Während sich das globale Demokratie-Niveau gegenüber dem letzten Jahr nicht dramatisch verändert hat und fast auf einem Allzeithoch bleibt, hat der in diesem Monat von Varieties of Democracy (V-Dem) veröffentlichte, 178 Länder umfassende Democracy Report 2018 festgestellt, dass sich der Niedergang der Demokratie beschleunige. „Wir sind weniger optimistisch als vor einem Jahr“, schrieben die Forscher_innen von V-Dem in der Washington Post.
Die Zahl der Länder, die demokratische Rückschritte machen, ist inzwischen die Gleiche wie die Anzahl derer, die Fortschritte machen.
Die „staatlich gesteuerte Schwächung oder Eliminierung der politischen Institutionen, die eine bestehende Demokratie stützen“ findet derzeit in Ländern statt, deren Einwohnerzahl zusammen ein Drittel der Weltbevölkerung oder 2,5 Milliarden Menschen ausmacht. Dieser Prozess der Autokratisierung beinhaltet den Abbau von Kontrollmechanismen über die Exekutive, die Unterdrückung der Pressefreiheit und die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Ein Großteil dieser Entwicklung ist auf einen Rückgang der Demokratie in vier der zehn bevölkerungsreichsten Staaten zurückzuführen: Indien, Russland, Brasilien und den USA. Dem Bericht zufolge ist zum ersten Mal seit 1979 die Zahl der Länder, die demokratische Rückschritte machen – 24 – die Gleiche wie die Anzahl derer, die Fortschritte machen. Während ein größerer Teil der Weltbevölkerung in immer autokratischeren Staaten lebt, hat sich die Zahl der Regierungen, die die demokratischen Errungenschaften ihres Landes untergraben, nicht wesentlich erhöht.
Die Ungleichheit ist in diesem Zeitraum gestiegen, wobei die sozioökonomische Ausgrenzung für viele Teile der Gesellschaft zugenommen hat. Mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung ist inzwischen von verschärfter politischer Exklusion betroffen. Diese Entwicklung zeigt sich in 14 Ländern besonders gravierend; am schlimmsten ist die Situation in Burundi, Mauretanien, dem Irak, dem Jemen und Panama. Nur 15% der Menschheit lebt in Gesellschaften mit einer gleichberechtigten Verteilung politischer Macht zwischen den Geschlechtern.
Im Gegensatz zu anderen Weltregionen hat sich die Qualität der demokratischen Institutionen in Subsahara-Afrika im Durchschnitt verbessert. Ebenso haben mehr Nationen echte Mehrparteienwahlen erlangt als Staaten an Pluralismus eingebüßt haben und auch der Anteil der Wahlen unterworfenen Amtsträger hat zugenommen. Insgesamt lebt immer noch ein größerer Teil der Weltbevölkerung in Demokratien als in Autokratien.
Ein größerer Teil der Weltbevölkerung lebt in Demokratien als in Autokratien
Der Bericht verdeutlicht, dass die USA und Indien in vielen Aspekten liberaler Demokratie drastische Rückschläge erlitten haben. Die US-Wahlen 2016 wurden nur als „bedingt“ frei und fair eingestuft, eine Rückentwicklung gegenüber den „völlig“ freien und fairen Wahlen vor 2016. Inzwischen sind Kriterien wie die „Achtung der Verfassung durch die Exekutive“ und die „Befolgung der Justiz“ seit 2016 dramatisch eingebrochen. Die demokratischen Institutionen der Vereinigten Staaten bleiben widerstandsfähig, aber liberale Merkmale der Demokratie wurden geschwächt. Gleichzeitig hat Indien, die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt, durch Faktoren wie Selbstzensur und Einschüchterung der Medien einen Rückgang der Meinungsfreiheit erlebt. Neue Gesetze haben die Zahl der aktiven zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in Indien tätig sind, allein im Jahr 2017 um rund 60% reduziert.
V-Dem ist ein Think Tank, der ganzheitliche Datensätze erstellt, um das Konzept der Demokratie als Regelsystem zu analysieren, das über die bloße Existenz von Wahlen hinausgeht. Die dem Bericht zugrundeliegende Methodik besteht darin, dass fünf Expert_innen jedes Land anhand von Kriterien der liberalen Demokratie bewerten, die in ein Spektrum von Indikatoren aufgeschlüsselt sind. Diese Analysen werden dann mit einem Datensatz synthetisiert, der „auf faktischen Informationen basiert, die in Form von offiziellen Dokumenten wie Verfassungen und Regierungsakten verfügbar sind“.
Bild: Titelbild des V-Dem-Berichts 2018
Übersetzung aus dem Englischen von Jessica Seiler